Von oben verordnete Gelassenheitsübung.

Manchmal, wenn ich so auf dem Weg zur Arbeit bin, habe ich meine Pläne schon hübsch gefasst und meine Zeit verplant. Ich brauche eine knappe halbe Stunde mit dem Auto, dazwischen drei Ortschaften, die Sonne immer hinter mir. Es ist ein angenehmer Weg zur Arbeit.

Nur manchmal tauchen da vor mir so Kriecher auf. Die ein leises Gefühl des Unmuts erzeugen, weil sie mir im Weg sind, mich an einer flüssigen Fahrt hindern. Die die Straße schließlich auch benutzen dürfen. LKWs, deren Aufdruck auf den Planen mir gleich verrät, dass es die übliche Wochen- oder Tagestour ist und ich vielleicht gerade zwei Minuten zu spät dran bin. Denn dann hätte ich diesen Kriecher jetzt hinter mir. Noch habe ich meine Pläne im Kopf. Was ist schon so ein einzelner LKW? Im Grunde fährt er ohnehin ganz flott, aber er stört mich doch. Oder stört er nur meine freie Sicht weit nach vorn? Bei der nächsten Gerade beschleunige ich und überhole …

… nur um nach der nächsten Kurve plötzlich einen noch langsameren Kriecher vor mir zu haben. Ärgerlich denke ich mir, wo der auf einmal herkommt. Fluche vielleicht genervt. Ein Traktor mit zwei Hängern voller Erdäpfel. Scanne rasch die Strecke ab, wann ich den überholen kann. Schleiche mit 50 hintendrein, wo ich 100 fahren dürfte. Endlich könnte ich überholen, aber da ist plötzlich der Gegenverkehr.

Kurz blitzt der Gedanke auf, dass es heute einfach nicht sein will, dass ich zügig und mit freier Straße vor mir in die Arbeit komme. Aber endlich kommt die Gelegenheit und ich überhole …

… nur um vor mir einen noch langsameren Kriecher zu finden. Eine Straßenwalze zum Beispiel. Drossle meine Geschwindigkeit auf beinahe Schritttempo und muss hinten bleiben, weil gerade jetzt jede Menge Gegenverkehr ist.

Manchmal, wenn sich die Hindernisse auf meiner Fahrt derartig häufen, muss ich auf einmal laut lachen. Sollten irgendwelche unsichtbaren Geheimdienste meine Handy abhören, dann hören sie mich allein in meinem Auto laut und schallend lachen. Möglicherweise bekommen sie es sogar ein bisschen mit der Angst zu tun.

Denn offensichtlich will mir an diesen Tagen irgendeine höhere Macht mitteilen, dass ich mal langsamer machen soll. Gelassener werden. Mich nicht unnötig abhetzen. Weil ich nichts versäumen werde. Weil ich ja trotzdem kaum fünf Minuten später in die Arbeit komme. Weil ich Gleitzeit habe und das überhaupt nichts macht. Ehrlich, es ist total egal. Dazu bedarf es gegebenenfalls mehrerer Winke von oben. So wie diese drei Kriecher vor mir, die mich mit jedem Mal mehr einbremsen.

So schleiche ich dann also hinter der Straßenwalze daher und werde plötzlich ganz entspannt. Sage mir selbst, dass es dann eben so sei. Und es wird alles ganz leicht und ruhig. Ein breites Lächeln zieht sich über mein Gesicht und ich setze mich bequemer in meinem Sitz zurecht. Nehme die Hand vom Schalthebel. Lache über mich selbst und über meine unsinnige Eile.

Fast scheint mir das Universum zuzunicken und zu sagen: „Na, hast du es endlich kapiert?“
Fast wie von selbst tut sich dann eine Lücke auf und ich kann ganz leicht die Straßenwalze hinter mir lassen. Plötzlich ist der weitere Weg frei, aber der Druck und die Eile sind verpufft. Hier ist nichts als heitere Gelassenheit …


Es ist lange her, dass ich hier etwas geschrieben habe. Dabei war ich ganz am Anfang dabei, als die Idee gerade erst geboren war. Und doch bin ich über zwei erste Beiträge hier nie hinaus gekommen. Bis heute.

Gelassenheit ist ein flüchtig Ding, scheint mir. Manchmal bin ich unendlich gelassen und dann suche ich sie plötzlich wieder vergeblich. Manchmal aber stößt mich das Universum oder eine höhere Macht oder ich weiß nicht was mit einer Vehemenz auf die Dinge, dass ich sie nicht ignorieren kann. Wie in obiger Geschichte.

10 Kommentare

  1. Hallöchen 🙂
    Eine sehr lockere und leichte Kost beinhalten deine Geschichte 🙂 musste teilweise schmunzeln –
    mit einem Zeichen von oben …. so lernt man Situationen die nicht zu ändern sind – mit einer gewissen Portion Gelassenheit zu akzeptieren
    Wenn mir ein und dasselbe Messer dreimal aus der Hand fällt … hebe ich es auf und lege es zur Seite – beim vierten mal würde vvlt etwas schlimmes damit passieren

    Das mit den Kriechern vor mir kenne ich zu gut – da sind schon mal die Sonntagsfahrer die auch Wochentags ins Wald-Café fahren – um sich mit Tante Gerda und Onkel Heinz zu treffen und dabei die Gegend zum Xten mal bewundern …
    Auch die Zuckerrübenzeit hat es insich… OMG … nicht das dir vom Transportlaster ein paar Rübchen vor das Auto rollen … nein – man tukelt fast 5 Kilometer Tempo 40 hinter diesem Unikum her – da reißt einem schon mal die Hutschnur … grrrrrrrr

    Deine Geschichte regt zum achtsamen Nachdenke ein … denn … manchmal kommt wirklich *alles Gute von oben* 😀

    lieb grüß zum heutigen sonnigen Samstag von zuzaly 😊 ❤

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  2. Ach liebe Frau Vro, ich lese Deine Beiträge immer so gerne. Und dieser zeigt am praktischen Beispiel das Wunder der Gelassenheit im Alltag. Ich fühle mich ertappt, denn ich bin eher eine mittlere Langsam-Kriecherin und nicht Gerne-Überholerin. Es gab eine Zeit, da habe ich dann die LKW und Trecker überholt, ob ich wollte oder nicht, wenn zu viele Autos hinter mir her fuhren und ich mir einbildete, das Schimpfen der anderen zu hören. Mir fehlte die Gelassenheit, mich nicht von hinten genötigt zu fühlen. Einmal überholte ich im dichten Nebel einen LKW, obwohl ich gar nichts sehen konnte und natürlich kam mir einer entgegen und ich bin gerade noch rechtzeitig in meine eigene Spur gekommen. Das war mir eine Lehre und ich habe mir die Gelassenheit auch als Langsamerfahrerin antrainiert. Ich schleiche ja nicht, aber über 100 auf Landstraßen fahre ich nie, egal, was hinter mir los ist. Ich halte mich auch gerne an die Geschwindigkeitsschilder, egal, was hinter mir los ist. Und heute kann ich gelassen dabei bleiben. Seitdem kommen wir wunderbar zurecht, die gelassenen schnellen AutofahrerInnen und ich! Liebe Grüße! Regine

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    • An manchen Tagen sind mir die Drängler hinter mir so zuwider, dass ich einfach bei nächster Gelegenheit rechts ranfahre und alle vorbei lasse. Zwar ernte ich gelegentlich Unverständnis, weil ich ja schließlich auch ein Recht habe, auf dieser Straße zu fahren, aber ich mag mir den Stress einfach nicht antun.
      LG, Veronika

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      • Ja, das mache ich auch. Ich halte ja nur mal eben kurz und fahre gleich weiter, wenn alle vorbei sind. Sollen sie doch rasen, im nächsten Ort treffe ich sie an der ersten roten Ampel meist wieder!

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