Ein bisschen Freiheit I

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Frida saß am einsamen Strand und genoss die kühle Meeresluft. Der graue Himmel und kreischende Möwen über ihr. Ihre weiße Bluse und ihr braunes gelocktes Haar wehten im Wind. Fröstelnd aber glücklich schlang sie die Arme um ihre nackten Beine.

Eine Woche war sie nun schon hier. Und immer noch konnte sie es nicht glauben das sie erst über 50 Jahre alt werden musste um sich zu trauen allein in den Urlaub zu fahren.

Allein, ganz allein, ohne Kind und Kegel. Kopfschüttelnd lächelte sie über sich selbst und fragte sich warum sie es nicht schon viel eher getan hat. Dieses Gefühl von Freiheit, welches sie genoss, hatte sie so sehnlichst vermisst.

Seit Jahren trug sie diese Idee in sich. Erst als fixe Idee, dann als Tagtraum, wenn der öde Tag mal wieder nicht enden wollte. Irgendwann flüchtete sie sich in diesen Traum, wenn ihr alles zu viel wurde, sie Streit mit ihren Ehemann hatte oder die Kinder ihr den letzten Nerv raubten.

Eigentlich war ihre Ehe glücklich. Sie hatte ein schönes Leben, wie ihr Mann immer betonte. Aber irgend etwas fehlte ihr. Als die Kinder klein waren, war sie mehr als ausgelastet mit der Erziehung, dem Haus und Garten. Aber je älter ihre Kinder wurden, je selbstständiger, desto öfter wurde ihr langweilig. ‚Treff dich doch öfter mit deinen Freundinnen, oder melde dich in einen Fitnessstudio an‘, sagte ihr Mann dann, wenn sie mit ihm darüber reden wollte. Ihr kam auch öfter die Idee irgendwo für ein paar Stunden die Woche arbeiten zu gehen. Aber das wollte er nicht. ‚Wir hatten uns darauf geeinigt das du zuhause bleibst und dich um alles kümmerst, während ich das Geld verdiene‘, war immer sein Kommentar und damit das Thema für ihn erledigt. Für ihn, aber nicht für Frida.

Einmal hatte sie es trotzdem gewagt und sich heimlich bei eine Boutique beworben. An dem Tag war sie so aufgeregt das alles schief lief. Sie konnte sich einfach nicht mit der Kasse anfreunden, auch nicht nach der zehnten Erklärung der Chefin. Das Peinlichste war allerdings als sie einem Stammkunden falsches Rückgeld wiedergab und er sich lautstark beschwerte. Sie brauchte nach dem Probetag nicht wieder kommen. Als ihr Mann davon erfuhr meinte er nur wütend sie sei fürs Arbeiten halt nicht geboren, anstatt sie zu trösten oder aufzumuntern.

Lange hatte sie gebraucht um darüber hinweg zu kommen. Auch deshalb weil er keinerlei Verständnis zeigte. ‚Was sollen denn die Nachbarn denken wenn du plötzlich arbeiten gehst? Denk doch an meinen Ruf, hinterher meinen die wir wären Pleite‘. So ging es in einem fort. Als ob er sich jemals Gedanken machte was die Nachbarn dachten.

Vor zwei Monaten dann, als sie aus purer Langeweile mal wieder im Internet surfte, stieß sie zufällig auf dieses kleine Haus am Meer. Es strahlte sie förmlich an, wie es so klein und einsam dastand. Es war völlig aus Holz, zur Meerseite mit bodentiefen Fenstern und so klein und niedlich das es gerade mal für höchstens zwei Personen reichte. Die Innenausstattung war im schlichten Weiß gehalten. Sie war entzückt und ehe sie sich versah tippte ihr Finger auf ‚buchen‘. Erschrocken über sich selbst, saß sie eine Weile wie erstarrt vor dem PC. ‚Ich habe es getan‘, murmelte sie immer wieder.

Abends, beim Familienabendbrot, darauf legte er großen wert, erzählte sie ihrer Familie davon. Erschrocken ließ ihr Sohn das Besteck fallen, der Wein viel um und es endete im Streit und Türen knallen. Als sich alle am nächsten Morgen von dem Schrecken erholt hatten, straffte sie ihre Schultern und verkündete ihrer Familie das ihr Entschluss feststand und sie dieses Mal nicht klein beigeben wollte. Die Kinder versuchten es mit bettelei, der Mann drohte, aber sie blieb hartnäckig. Nach einer Woche zähen Gesprächen gab die Familie endlich auf.

So saß sie hier jetzt nun am Strand und genoss diese herrliche Ruhe. Endlich konnte sie tun und lassen was sie wollte. Sie schlief lange, saß am Tisch mit dem Blick zum Meer und lauschte dem stetigen Meeresrauschen. Wenn sie keine Lust zum Kochen hatte, ging sie einfach irgendwo im nächsten Ort ins Restaurant. Zwei Wochen hatte sie noch vor sich. Zwei Wochen frei sein, auf nichts achten, keine Termine, keine nörgelnden Kinder, nichts müssen, einfach nur sein.

Für nächstes Jahr hatte sie das Haus vor Ort auch schon reserviert.

(Foto Nati)

56 Kommentare

  1. Schön, wenn eine dann nicht schon am ersten Tag die Leere überfällt wie ein reißender Wolf. Die Sinnlosigkeit des (Allein-) Seins. Die Erkenntnis, dass frau „hier im Süden“ sitzt – und es „das Gelbe … auch nicht“ ist (frei zitiert nach Udo Lindenberg). Der Unterschied zwischen Tagträumen im grauen Alltag und realisierter Trotzreaktion kann sehr groß sein und das Was-soll-ich-eigentlich-hier sehr tagfüllend. Ich glaube nicht, dass zwei Wochen Urlaub ein Ersatz sein können für einen verpassten oder vermissten Lebenssinn. Nur ein paar Einwände von einer, die Erfahrung hat mit realisierten Alleinurlauben und der nicht zwingend erfüllbaren Sehnsucht nach dem damit (möglicherweise nur vermeintlich) verbundenen Freiheitsgefühl.

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    • Hallo Elke.
      Ich danke dir für deine Gedanken und Einwände dazu.
      Vielleicht ist der Alleinurlaub auch erst ein mutiger Schritt in die richtige Richtung. Sie hätte Zeit darüber nachzudenken was sie wirklich will und nicht was ihr vorgegeben wird.
      LG, Nati

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    • Liebe Elke, ein Gefühl kann nicht vermeintlich sein, das hat man oder nicht. Und man kann auch nicht jemand anderem ein Gefühl absprechen, weil man es selbst in der gleichen Situation vielleicht nicht hätte. Und es ist doch auch nicht eine Trotzreaktion, wenn jemand einen eigenen Wunsch verwirklicht …….

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    • Geht es denn um Ersatz ?

      Allein Sein braucht Zeit
      Allein Sein will geübt sein

      Ich war auch irgendwann alleine, weil mein Mann gestorben war
      Zack
      Da sitzt du dann und kommst erst mal überhaupt nicht klar
      Aber wenn du es irgendwann kannst … wenn du nicht mehr einsam bist sondern all-eins mit dir selbst …
      Ich kann nur sagen … Was gibt es Besseres ?
      Ich liebe mein Allein Sein inzwischen über alles
      Freiheit … so ganz frei wird man als Mensch wohl nie …
      Aber bis jetzt ist mir mein Allein Sein die größte Freiheit, die ich finden konnte

      Und auch grad die Urlaube !
      Ich freu mich jetzt schon auf meinen Urlaub
      Ich und Meer und Strand und Sonne und Steine
      Und da möcht ich keinen dabei haben, der mir meine Kreise stört 😉

      Alles Liebe ❤

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  2. mich hat diese Geschichte berührt – hatte sogar feuchte Augen
    es war ein Hilfeschrei der Seele – aus dem Alltag endlich auszubrechen – frei sein mit den Gefühlen – frei werden im Kopf – die Stille genießen – sich einen Wunsch erfüllen – der erfüllbar geworden ist – durch ihr wiedergefundenes Selbstvertrauen es in ihrer Spontanität richtig zu machen – gleich und jetzt 🙂
    diese Argumente des Ehemannes – * du musst nicht arbeiten gehen … was denken die Leute – es war so abgemacht* unfreiwilliger Zwang nenne ich das!
    Sie stand regelrecht unter den Fittichen ihrer Familie – nicht auszubrechen aus der Normalität dieser Unfreiheit … sie hat es gewagt und gewonnen 😀
    … ein Stückchen Freiheit für zwei Wochen…
    heiß sonnige Grüße aus Hildesheim von zuzaly

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    • Hallo Zuzaly.
      Es ist schön das meine Geschichten berühren können.
      Genau so habe ich es auch gesehen: Ausbrechen aus dem Alltag, aus den Zwängen und dem Aufgedrengten. Endlich mal etwas tun was man selbst will und nicht die anderen.
      (Ich frage mich nur wie ihr auf 2 Wochen kommt. Eine Woche ist sie schon dort und zwei Wochen hat sie noch vor sich😉).
      LG, Nati

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    • Hallo Werner.
      Der Titel kommt mir bekannt vor. Ich glaube ich habe mir den Dreiteiler mal angesehen. Ganz amüsant wie so jeder Mensch in seinem Leben festhängt.
      Lag, Nati

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    • habe mir die Geschichte … *auf dem Jakobsweg zur wahren Freundschaft* durchgelesen
      … mal schaun … ob ich die CD zum Film erwerben kann — oder bei Youtube fündig werde
      LG die zuzaly

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  3. Vor ein paar Jahren … als ich beschlossen hatte, diese Geschichte mit diesem Mann zu beenden … bin ich nach Rügen gefahren

    Und ich erinnere mich genau an diesen Moment … als ich … schnüff … Moment der Ergriffenheit … äääh … wo war ich ?
    Genau
    Ich kam an den Strand und stand nur da … und guckte … die Weite … das Meer …

    UND ICH WAR WIEDER ICH

    Schöne Geschichte

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  4. Ich kann Frida nur beglückwünschen, endlich das zu tun, was für sie selbst so notwendig war: ein Ausbrechen aus dem Alltag.

    Ich mache das regelmäßig, seit ich nicht mehr arbeiten muss und nehme mir den Freiraum für Dinge, zu denen ich früher nicht die Zeit hatte. Daran kann sich eine Familie gut gewöhnen ohne zu kurz zu kommen und diese Erlebniswelt kann für alle eine Bereicherung sein.

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    • Hallo Anna-Lena.
      Das hört sich bei dir sehr positiv an.
      Ich habe es schon immer so gehalten. Immer mal eine Auszeit, egal ob groß oder klein. Es ist sehr wichtig für einem selbst aber auch für die Familie.
      LG, Nati

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      • Da sind wir einer Meinung. Während meines Berufslebens waren diese Auszeiten eher gering, aber sehr wichtig. Heute sind sie dafür länger und mein Göttergatte hat kein Problem damit, solange ich den Hund bei ihm zuhause lasse …

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      • Auszeiten sind immer wichtig, egal wann und egal unter welchen Umständen. Man tankt aufund alles läuft danach wieder einfacher. Ist wie ein Kurzurlaub.

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  5. Liebe Nati,

    Allein-Sein ist nicht einsam sein. ich hatte letztes Jahr einige dieser Alleine-Weg-Ausflüge und es hat mir geholfen, zu reflektieren, sich klar zu werden und vor allem mit sich selbst auszukommen. Mutig manchmal, aber mir tat es immer gut.
    Deine Geschichte ist irgendwie traurig, denn so weit sollte es nicht kommen, dass man ausbrechen MUSS… Ich bin auf Deine Fortsetzung gespannt

    Liebe Grüsse
    Thomas

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    • Danke für deine Gedanken zum Beitrag, lieber Thomas.
      Eigentlich war keine Fortsetzung geplant.😁

      Ich bin da ganz auf deiner Seite, so sollte man nicht zusammen leben.
      Gut das es nur eine Geschichte ist.

      Solche Geschichten fallen einem ein wenn man Nachts hell wach ist weil ein Rauchmelder grundlos Alarm geschlagen hat. Grrr…..

      LG, Nati

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  6. Schön in Worte gefasst, Nati. Ich fühle mich auch frei, wenn ich alleine eine Fernwanderung/Pilgerschaft unternehme, weil ich auf diese Weise am besten meine Umgebung wahrnehmen und über mein Leben nachdenken kann. Liebe Grüße, Dario

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  7. Ich frage mich gerade, ob es heutzutage tatsächlich noch Männer in Deutschland gibt, die ihren Frauen verbieten wollen zu arbeiten oder alleine Urlaub zu machen. Ich kann mir das so gar nicht vorstellen. Das war bei meinen Eltern so, aber 2018 immer noch? Na ja, ist ja nur eine Geschichte, hoffe ich und keine Realität.

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    • Hallo Regine.
      Manchmal möchte man gar nicht wissen was es heutzutage noch alles gibt obwohl wir doch alle so fortschrittlich leben wollen.
      Zum Glück ist dies nur eine Geschichte.
      LG, Nati

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      • Ich habe viele Jahre als Ehe-und Lebensberaterin gearbeitet und konnte viel hören und sehen. Aber das Frauen nicht arbeiten sollen, war nicht dabei. Im Gegenteil…….

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      • Ich kenne da ein paar. Obwohl sie sich in der Situation ganz wohl fühlen. Etwas besser situiert, sie bleibt zuhause und hält ihm den Rücken frei.

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      • Ja, ich war auch Zuhause, als meine Kinder klein waren und habe das sehr genossen. Und später war mein Mann Zuhause und hielt mir den Rücken frei. Aber alles auf freiwilliger Basis und nach Absprache.Verbieten denn die Männer Deiner Bekannten tatsächlich ihren Frauen zu arbeiten?

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      • Ich weiß nicht ob es so richtig verbieten ist. Die Väter haben anstrengende Jobs, sind viel unterwegs, er bringt das Geld nach Hause und sie kümmern sich um die Kinder und allem drum herum. Sie haben es wohl so vereinbart.

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      • ….und das war in Deiner Geschichte anders. Diese unglückliche Frau braucht sicherlich mehr als zwei Wochen Urlaub, um sich aus einer unglücklichen Lage zu befreien. Das wird eine harte Arbeit, wie immer die auch aussieht! Aber es würde sich für alle lohnen.

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  8. Liebe Nati,
    ich finde, dass der Titel etwas ungünstig gewählt ist.
    „Ein bisschen Freiheit“. Irgendwie hört er sich so nach Hundeleine an, wobei der Mann bestimmt, wie lang diese sein soll.
    Oder gehört dieser Gedanke zur Geschichte? Dann wäre der Titel natürlich genial.
    Bin erst beim zweiten Lesen darauf gekommen.
    Die Frau tut mir leid.
    Alles Liebe,
    Michael

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    • Hallo Michael.
      Das ist hier unser Monats Thema, wozu ich diese Geschichte geschrieben habe.
      Da muss der Titel ‚Freiheit‘ schon rein.
      Das mit der Hundeleine finde ich amüsant, es könnte fast wirklich dazu passen, so wie ich es geschrieben habe. Solche Ehen gibt es tatsächlich noch, aber meine Geschichte ist zum Glück nur erfunden.
      Teil II ist auch schon fertig, verlinke ich am Samstag. Mal sehen ob es dir gefällt. 😉
      LG, Nati

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