Oben und unten

17. August 2017

Wir philosophierten am Wochenende in der Lernscheune über „Herrschaft und Knechtschaft“. Mittlerweile kennen wir uns gut, vertrauen uns und wagen es, persönlich zu werden. So blieben wir nicht im unverbindlich Allgemeinen stecken, sondern fragten uns, wann sind wir Herr, wann Knecht? Natürlich fühlten auch wir Frauen uns angesprochen.

Mit folgenden Thesen und Fragen beschäftige ich mich bis heute:

Das wichtigste im Leben ist, sich von den Eltern zu lösen, um frei sein zu können.

Es ist eine der schwersten Aufgaben von Eltern und Kindern, sich gegenseitig frei zu geben und dabei den Zusammenhalt nicht zu verlieren. Meine Kinder und ich sind auf einem guten Weg. Ich bin froh, dass ihnen ihr eigenständiges Leben ohne mich gelingt. Manchmal vermisse ich trotzdem ihre Nähe. Das darf auch sein.

Wie wichtig ist es mir, was andere von mir halten?

Es ist mir nicht wichtig, was andere über mich denken. Ist mir völlig egal. Hätte ich gerne gedacht. Aber je intensiver ich mich mit dieser Frage auseinandersetzte, umso bewusster wurde es mir, dass ich immer noch viele Botschaften meiner Eltern, Lehrer und dem Freundeskreis aus früheren Zeiten verinnerlicht habe. Das sind die bösen Gesellen, die Ihr aus meiner Kategorie „Innen“ vielleicht schon kennt.

Meine Grundgefühle ich gehöre nicht dazudie anderen sind besser dran ohne mich, ich kann nicht mithalten, ich muss mich mehr anstrengen und ich bin nie genug, haben mit der Realität gar nichts mehr zu tun. Es sind Relikte aus einer anderen Zeit. Mein Verstand sagt mir, dass es Botschaften von außen sind, auf die ich gerne verzichten kann; etwas in mir hält trotzdem stur daran fest. Gerne suchte ich mir Partner, die diese Botschaften unterstützen. Negative Bestätigungen schenkten mir ein vertrautes Gefühl und bestätigten mein schlechtes Selbstbild, welches sich bis heute kaum geändert hat. Leider. Und solange dies der Fall ist, ist es mir auch wichtig, was andere von mir halten. Ich will vermeiden, dass die anderen so schlecht von mir denken, wie ich selbst.

Wenn mir Menschen Lob, Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen, höre ich das, aber ich mag es nicht. Ich fühle mich nicht gut dabei und darum reagiere ich dann manchmal sogar ziemlich schroff. Das ist doch nun wirklich blöd und will geändert werden. Daran arbeite ich seit einiger Zeit und es gelingt mir immer besser, die bösen Gesellen zu erkennen und sie zum Schweigen zu bringen. Mein Selbstbewusstsein wächst und übernimmt die Herrschaft im Haus. Zum Glück.

So einfach ist das. Ich möchte mich realistisch sehen und das Positive nicht nur erkennen, sondern auch fühlen und mich daran erfreuen. Ist das denn so schwer? Ja, für mich schon.

Anarchismus ist die Lehre von der Freiheit als Grundlage der menschlichen Gesellschaft.

Das Thema interessiert mich sehr, weil ich mich damit noch nie beschäftigt habe. Erst einmal verstehe ich nicht, was Freiheit in diesem Zusammenhang bedeutet. Freiheit wovon? Kann ich in einer Gesellschaft wirklich frei sein? Kann eine Gesellschaft in völliger Freiheit funktionieren? Kann ich sie mir überhaupt auch nur vorstellen? Ich stoße immer wieder schnell an Grenzen, denn schon ein Zusammenleben zu zweit ist ohne Regeln, Kompromisse und Einschränkungen für mich gar nicht denkbar. Vielleicht genieße ich es darum gerade so sehr, alleine zu leben, weil ich mich Zuhause so frei fühle wie nie zuvor. Aber auch da gibt es Grenzen. Miete muss gezahlt und der Rasen gemäht werden.  Na gut, über den Rasen können wir reden, ich weiß.

Also frei sein von jeglicher Herrschaft, ist das möglich? Ist das erstrebenswert? Darüber denke ich weiter nach. Vielleicht werde ich noch Anarchistin, wer weiß?!

Ja, ja, ich liebe diese Wochenenden. Teil einer Gruppe zu sein, in der sich alle gegenseitig wertschätzen und jede Meinung respektiert wird, in der wir uns ernsthaft und spielerisch an Themen heranwagen, die an die Substanz gehen können, in der auch das Lachen und das gemeinsame Essen nicht vergessen wird, ist Erholung pur und poliert mein Selbstbewusstsein noch einmal ordentlich auf.

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