Die eine weiß, ich kriege nichts auf die Reihe. Also, fast nichts.
Wenn ich mit ihr zusammen bin, verhalte ich mich auch so.
Obwohl ich es besser kann.
Der andere erinnert sich, dass ich vor vielen Jahren einmal laut war, als ich in den Badesee stieg. Furchtbar laut. Unanständig laut für eine Frau und Mutter.
Mir ist das peinlich. Es passierte nie wieder.
Obwohl ich so gerne viel öfter laut gewesen wäre.
Der andere findet mich hässlich und sagt, ich kriege keinen mehr ab, wenn ich mich nicht etwas mehr anstrenge und mich hübsch mache.
Ich stimme ihm zu, nicht liebenswert zu sein.
Obwohl ich doch ich bin.
Die eine freut sich so, mich zu sehen, dass sie mich beherzt in die Arme nimmt.
Ich mag sie auch und mich sowieso.
Obwohl manchmal auch nicht.
Der eine interessiert sich für das, was ich sage, auch wenn er nicht immer meiner Meinung ist.
Ich sage, was ich denke und was mir gerade einfällt.
Manches hört sich richtig schlau an. Manches auch nicht.
Die eine findet, ich bin total aktiv.
Ich denke, sie kennt mich nicht.
Ich bin dann aber auch total zufrieden mit mir.
Der andere denkt, ich erlebe zu wenig.
Ich glaube ihm.
Obwohl ich es besser weiß.
Der eine findet mich alt.
Bin ich ja auch.
Aber unter Gleichaltrigen bin ich es nicht.
Der eine denkt, ich bin eine Schlaftablette.
Ich bemühe mich, es nicht zu sein.
Und werde müde.
Die andere liebt mein Temperament.
Ich denke, bin ich zu laut?
Und lache mich scheckig.
Der eine hätte mich gern intellektueller.
Ich fühle mich dumm.
Ich habe mein kleines Latinum nicht erreicht, weil ich zu faul war.
Der andere mag keine Studierten.
Und ich halte mich zurück.
Lehrerin war ich früher auch noch.
Das merkt man, sagt er.
😳
Die eine nimmt mich so, wie ich gerade bin.
Ich bin alles, was ich sein kann.
Ich denke, die kriegt nichts auf die Reihe,
wenn sie mit mir zusammen ist, verhält sie sich auch so.
Obwohl sie es besser weiß.
Ich will achtsamer werden
mit meinen Urteilen.
Denn ich kann ja nichts wissen
über die anderen!
Regine, veröffentlicht am 30.04.19 auf dem Regenbogen.