Am Wegesrand

Mein Weg führt mich durch die große, weite, gefährliche Welt. Ich ziehe durch das Land und suche das Glück. Dabei finde ich, wenn ich mir Zeit lasse, viele kleine Glücksstücke am Wegesrand. Manchmal renne ich auch an ihnen vorbei, denn ich will Größeres. Wie dumm das doch ist!

Das längste Wegstrecke liegt hinter mir. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wenn ich mich umdrehe und zurückschaue, dann sehe ich, wie lang er schon war, mein Weg. Umwege, Auswege, Kreuzwege, Rückwege, alle brachten mich doch vorwärts, auch wenn ich das nicht glauben wollte. Manchmal verirrte ich mich im Nebel, manchmal konnte ich den Stürmen kaum standhalten. Oft schien die Sonne, manchmal war es so dunkel, dass ich fürchtete, mich zu verlieren. Manchmal war es kalt, manchmal warm, manchmal nass, manchmal herrlich, manchmal schattig, manchmal langweilig und manchmal viel zu aufregend. Und es ging immer weiter und weiter. Viel Müll lag herum und viel Schönes fand ich am Wegesrand. Ich lernte, das Wertvolle einzustecken und das, was zu schwer wurde, zurückzulassen.

Ich war nicht immer allein. Am Anfang zeigten mir meine Eltern den richtigen Weg und später begleitete mich mein Lebensmensch, bis er dann abbog und ich weiterzog. Zwei Kinder brachte ich auf die Welt und hütete sie eine Zeitlang, bis sie selbst ihre eigene Wege fanden. Da ließ ich sie ziehen, es war nicht leicht. Ab und zu machen wir gemeinsam ein Picknick am Wegesrand. Doch ist das Fest vorbei, geht jeder wieder allein. Am schönsten ist es, wenn ich weiß, die Kinder sind zufrieden mit ihren Wegen und mutig genug, sie zu verlassen, sollten sie sich als Irrwege herausstellen.

Viele Menschen gingen mit mir und dann eilten sie auf eigenen Wegen weiter fort. Wir können uns unterwegs treffen, wenn wir wollen. Wir können uns finden, uns trösten, uns halten und albern sein, aber alleine müssen wir den Weg zu Ende gehen. So ist das im Leben.

Die größte Strecke liegt hinter mir. Ich werde langsamer, was vor mir liegt, wird kürzer. Noch sehe ich das Ende nicht, aber es ist da, so sicher war ich noch nie. Jeder Weg führt irgendwohin und wohin meiner mich führt, erkenne ich noch nicht. Es wird anstrengender und die Welt schnurrt sich allmählich zusammen. Doch am Wegesrand liegen die Schätze so nah. Es glitzert und funkelt, es sind die Gedanken, Ideen und Erinnerungen. Und immer finde ich nahrhaftes Zeugs am Wegesrand und ich kann mich darauf verlassen, dass ich lebe. Ich habe gelernt, dass es falsche Wege nicht gibt. Und das ich alles ertragen konnte, was mir bisher begegnete. Dieses Wissen ist meine Kraft.

Mein Weg ist der beste für mich. Und am besten ist der Wegesrand, denn dort ruhe ich mich gerne aus, tanke Lebensfreude und manchmal tanze ich dann auch.

3 Kommentare

  1. Liebe Regine,

    Inspirierende Gedanken.

    In jungen Jahren schauen wir wenig zurück, da ist der Blick nach vorne gerichtet, dann später registrieren wir auch schon mal was links und rechts liegt und irgendwann später schauen wir immer mehr auf den Weg, der hinter uns liegt.
    Gut? Sinnvoll? Manchmal ja, manchmal eher nicht…

    Liebe Grüsse
    Thomas

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    • So ist es Thomas!
      Ich schaue viel gelassener zurück als noch vor ein paar Jahren. Ich verstehe, warum ich gelandet bin, wo ich bin. Ich bin dankbar für meine Zeit, die ich hatte und freue mich auf das, was kommt. Und zwischendurch genieße ich, dass ich nicht mehr Hamsterrad treten muss.

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