Körperliche Ertüchtigung

In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist, so heißt es, allerdings glaube ich, dass Leute, die sich sowas ausdenken, ganz besonders ungesunde Körper besitzen müssten, sollte dieser Spruch wahr sein, was er zum Glück nicht ist, wie uns viele Beispiele aus der Geschichte und unserem eigenen Umfeld beweisen. Jeder kennt doch zumindest einen Menschen, dessen geistige und körperliche Gesundheit in einem reziprok-proportionalen Verhältnis zueinander stehen.

Das hält mich aber nicht davon ab, trotz meiner (größtenteils unbestrittenen) allerbesten geistigen Gesundheit zugleich körperliche Fitness anzustreben. War diese Gabe in jungen Jahren ein selbstverständliches und wenig gewürdigtes Geschenk – junge Männer halten sich im allgemeinen für unsterblich – erfordert das fortschreitende Alter zunehmende Pflege abnehmender Körperfunktionen. Daraus ergibt sich ein sehr naheliegendes Problem: zunehmende Pflege verlangt zunehmenden zeitlichen Aufwand, doch diese Zeit steht mir nicht zur Verfügung. Ich befinde mich ja noch mitten im Arbeitsleben, habe eine Familie und Hobbies, die mit körperlicher Ertüchtigung soviel zu tun haben wie ein chinesischer Sack Reis mit dem Rattenfänger von Hameln, nämlich nichts.

Die Lösung dieses Problems ist unerwartet einfach: ich integriere sämtliche sportliche Übungen in den Alltag und schaffe dadurch eine sensationelle Win-Win-Situation, indem ich sowohl die Zeit als auch das Geld für die Nutzung der allerneuesten und gerade angesagtesten Fitnesstempel spare. Zusätzlich erspare ich mir auch nervtötende Leistungsabgleiche mit den anderen Olympioniken, deren fundierte Vorträge über Cerealien und Elektrolyte sowie das Austauschen von Handynummern mit den neuen, gerade an der Smoothie-Bar kennengelernten Freunde.

Der Möglichkeiten, seine Muskeln zu stählen und seine Geschicklichkeit zu verfeinern, ermangelt es im Haus und im Garten nicht. Dass ich selbstverständlich das Kaminholz nicht etwa mit einer Motorsäge, sondern im Schweiße meiner Achseln zersäge und daraufhin mit einer Spaltaxt zerlege, versteht sich von selbst und bedarf hier eigentlich keiner weiteren Erwähnung. Da wäre aber zum Beispiel die Möglichkeit, während des Zähneputzens diverse Schließmuskel anzuspannen und wieder zu lösen, und zwar in einem anderen Rhythmus als die Kniebeugen, die ich gleichzeitig vollführe, was der gesteuerten Koordination sehr förderlich ist. Auch meine Lungenfunktion hat sich deutlich verbessert, seitdem ich allmorgentlich mit bloßem Oberkörper bei Wind und Wetter am geöffneten Badezimmerfenster stehend stoßweise das Rasiermehl aus dem Rasierapparat blase. Verwehte die resultierende Staubwolke zu Beginn meiner Übungen noch über dem eigenen Grundstück, treibe ich sie mittlerweile weit über die Gehwegplatten und über die Hecke bis zum Nachbargrundstück, zumindest bei günstigem Wind. Mein Zwergfell ist mittlerweile so muskulös, dass ich damit Nüsse knacken könnte, selbst Paranüsse, fände jemand nur heraus, wie man ein Zwergfell zum Zupacken bringt.

Zusätzlich arbeite ich seit einigen Wochen intensiv an der Vervollkommnung meines Gleichgewichtssinnes. Während ich zuvor nach dem Duschen meine Füße auf einer Treppenstufe sitzend abgetrocknet habe, bin ich nun dazu übergegangen, selbiges auf einem Bein stehend zu erledigen, was zuerst eine recht wackelige Angelegenheit war. Mittlerweile bin ich so standfest, dass ich ab morgen früh auch die Zehenzwischenräume auf einem Bein stehend trocknen werde. Bis ich in selbiger Haltung den Nagelpilzlack aufzutragen in der Lage bin, wird aber wohl noch einige Zeit in’s Land gehen.

 

 

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