Ein bisschen Freiheit II

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Teil I siehe hier.

Die letzten zwei Wochen vergingen wie im Flug. Frida machte lange Spaziergänge am Strand, dachte über ihr Leben und ihre Zukunft nach und ging oft in die nahe liegende Therme schwimmen. Das Meer war bereits zu kalt zum Schwimmen geworden. Einmal hatte sie in der Zeit mit ihrer Familie telefoniert, sonst hatte sie das Handy ausgeschaltet.

Ihre Familie klang am Telefon ganz anders als sie es gewohnt war. Nicht so fordernd, nörgelnd und bestimmend. Nein, sie waren freudig überrascht und erzählten lachend über das ein oder andere Missgeschick. Sie fragten auch vorsichtig ob es ihr gut ginge und ob sie wirklich nach den drei Wochen nach Hause käme. Etwas freute sich Frida, meinte sie doch eine Veränderung zu spüren.

Bei den langen Spaziergängen überlegte sie was sie mit ihrer Zukunft anfangen wollte. Die Kinder wären ja bald aus dem Haus, somit hätte sie genügend Zeit für etwas sinnvolles. In ihrem gelernten Beruf als Bürokauffrau wollte sie nicht zurück. Die Technik war in den letzten Jahren so voran geschritten, da müsste sie ganz von vorne anfangen. Als die Kinder kleiner waren, hatte sie gerne genäht. Mal hier ein Rock, mal da eine Hose, es hatte wirklich Spaß gemacht. Vielleicht konnte sie damit etwas anfangen. Erst einmal müsste sie die Nähmaschine aus den Keller holen und schauen ob noch alles funktionierte. Dann könnte sie ja ein, zwei Teile nähen um wieder rein zukommen. Es gab doch auch so tolle Online-Shops wo man Sachen anbieten konnte. Das wäre was, malte sich Frida aus. Nach und nach nähen und online anbieten. Mal sehen wohin dies führen würde. Jetzt musste sie es nur noch ihrer Familie verständlich machen. Sie würde genauso hart bleiben wie mit diesen Urlaub, nahm sie sich vor.

Am letzten Tag packte sie ihre Koffer und ging noch einmal schick essen. Sie hatte sich dafür extra ein neues Kleid gekauft und dieses Mal nicht so sehr auf das Preisschild geschaut. Noch vor drei Wochen hätte sie es sich verkniffen und ein schlechtes Gewissen gehabt.

Etwas aufgeregt machte sie sich auf den Weg. Zuvor hatte sie ihre Familie benachrichtigt um die ungefähre Ankunftszeit mitzuteilen und zu sagen das der Familienrat tagen würde. Eigentlich wurde der Rat nur einberufen wenn grundlegende Erziehungsmaßnahmen angepasst wurden, weil die alten nicht mehr griffen. Die Kinder wurden ja älter und wollten mehr Freiraum, mehr Taschengeld oder sollten Altersgerecht im Haushalt mehr helfen.

Am Abend kam sie erschöpft aber glücklich zu Hause an. Das Abendessen duftete herrlich, sogar ein Blumenstrauß stand auf dem Esstisch. Heinz begrüßte seine Frau überschwänglich, selbst die Kinder ließen sich herzlich umarmen, erstaunlich in diesem Alter. Es herrschte eine fröhliche aber auch abtastende Stimmung. Die Kinder erzählten wie wild von ihrer Zeit ohne Mamas Hilfe, von den ersten Versuchen mit der Waschmaschine und dem Kochen. Ihr Mann sah etwas müder aus als sonst. War ja auch kein Wunder, neben der Arbeit noch den Haushalt zu wuppen. Alle schienen sich aber zu freuen das Frida wieder da war.

Nach dem ausgiebigen Abendessen räumten alle wie selbstverständlich den Tisch ab und setzten sich erwartungsvoll auf die Couch. Frida erzählte von ihrem Urlaub, ihren Erlebnissen und ihren Wünschen. Endlich einmal wurde ihr zugehört. Sie fasste ihre Gefühle, Wünsche und Träume in Worte. Zwischendurch liefen ihr genauso die Tränen wie ihren Kindern und Heinz. Es wurde diskutiert, erklärt, gejammert und schließlich auch eingesehen. Heinz musste ein paar Mal heftig schlucken, bei den Gedanken was seine Frau so vor hatte. Letzt endlich wurde er auch von seinen Kindern überzeugt, die plötzlich gar nicht mehr so klein und unbeholfen schienen. Groß und erwachsen sind sie geworden.

So wurden also Pläne geschmiedet, wegen der Haushaltsführung, die Zeit die Frida fürs Arbeiten nutzen wollte und Heinz machte sich im Internet schlau wie man einen Online-Shop eröffnen konnte. Die erste Zeit war für alle etwas nervenaufreibend. Alles wurde ja schließlich umgeworfen, es gab Streit wegen der zu bewältigenden Aufgaben und manches Mal verfielen alle in die alten Strukturen. Dies ließ Frida aber nicht lange durchgehen. Sie war in den drei Wochen am Meer selbstbewußter und stärker geworden. Sie war so froh darüber den Schritt gewagt zu haben ganz allein in den Urlaub zu fahren. Hätte sie vorher gewusst welche Auswirkungen dieser haben würde, wäre sie schon viel eher verreist.

 

(Foto Nati)

30 Kommentare

  1. Und je mehr sich Frida selbst wichtig genommen hat, umso mehr hat ihre Familie sie wichtig und vor allen Dingen Ernst genommen. Manche Menschen meinen, wenn sie sich anpassen und das tun, was man von ihnen erwartet, daß dann alle glücklich sind. Dabei ist es genau umgekehrt: wenn man etwas für sich tut und glücklich mit sich selbst ist, strahlt das auch auf die anderen aus 🙂 Ein schöne Geschichte!

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  2. Liebe Nati,

    na, doch eine Fortsetzung. Danke dafür. Ja, sie hat sich getraut, ihre Wünsche und Sehnsüchte ernst zu nehmen und sich zu verwirklichen… ich bin ja schon gespannt, wie das weitergeht 😉

    Liebe Grüsse
    Thomas

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  3. „Wozu brauche ich Füße, wenn ich Flügel habe.“ Die Dame, die es sagte, hieß auch Frida. Frida Kahlo.
    Fiel mir gerade ein, liebe Nati.
    Alles Liebe,
    Michael

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